Das Wetter. Immer wieder das Wetter! Wenn man so viel draußen damit zu tun hat, wird es tatsächlich ein Thema. Heute hat es sich beruhigt – der Morgen danach sieht gut aus.

Wir krabbeln aus unserer Unterkunft, weit haben wie es nicht zu den Maschinen.

Hier wird der Begriff „Romantik“ völlig neu definiert. Einige hier haben uns erzählt, dass dieses Jahr aus unerfindlichen Gründen ein Run auf die Lofoten eingesetzt hätte. Tatsächlich sehen wir viele Deutsche, hören Franzosen und Engländer sprechen, auch so manchen Amerikaner. Fakt ist, dass die Unterkünfte knapp und dementsprechend teuer sind. So sind wir ja auch zu unserem Luxusappartement gekommen.

Wir fahren – wie jeden Tag – erst einmal frühstücken. Unsere Wahl fällt auf das Kringla Bakari & Kondori, ein nettes Café am zentralen Platz von Svolvaer. Nahrhaft und lecker. Überhaupt fällt auf, dass die meisten Bäckerein und Frühstückscafés, neben den gängigen süßen Sachen, auch qualitativ und geschmacklich hochwertige andere Köstlichkeiten anbieten, oft mit Fisch oder Krabben, gern auch mit Rentierschinken. Die Dinge sind fast immer im Laden hergestellt oder zumindest zusammen gebaut, was man ihnen ansieht.

Danach geht es Richtung Surfschule. Es ist die – nach eigenen Angaben – nördlichste weltweit. Der Weg dorthin ist malerisch, insbesondere nachdem wir die E10 kurz hinter dem großen Wikinger Museum – nein, es zieht uns dort nicht hinein – verlassen haben, sieht es dort doch stark nach Auenland aus.

Der Regen und die Kälte von gestern sind vergessen.

Dann sind wir auch bald am Surfstrand.

Die Unstad Arctic Surf wird von freundlichen Menschen betrieben. Allerei Gäste jeden Alters und vieler Nationen bevölkern das Foyer, was Aufenthaltsraum, Café, Krabbelstube und Shop in einem ist.

Jacobs Begeisterung für das Surfen lässt ihn sich dann doch erkundigen, wie und wann man denn für ein paar Stunden aufs Brett kann. Wir fassen später den Entschluss, morgen noch einmal vorbei zu fahren – und wenn das Wetter passt, wird Jacob ein paar Stunden surfen – bei 8 °C Wasser- und ebenso viel bzw. wenig Lufttemperatur.

Auf dem Rückweg nach Svolvaer erleben wir die erste tatsächlich brenzlige Situation, in diesem Fall für mich. Vor uns fährt ein Reisebus, ein Schwede. Die Straße ist gerade, aber verläuft sehr hügelig, eine Berg- und Talfahrt. Der Busfahrer bemerkt uns. Etwas später setzt er den rechten Blinker – wir können also überholen. Der Blinker geht wieder aus. OK, also doch nicht. Kurz darauf setzt er wieder den Blinker. Ich schaue am Bus vorbei, sehe ein ganzes Stück weit, aber nicht alles. Der Busfahrer weiter oben, denke ich mir, wird aber alles sehen. Sonst würde er ja nicht den Blinker setzen.

Doch, würde er. Ich bin halb am Bus vorbei, da taucht vor mir ein Auto auf. „Auftauchen“ trifft es sehr gut, weil es aus der Senke hinter dem nächsten Hügel gefahren kam.

Ich gehe voll in die Eisen, die Maschine verhält sich vorbildlich, schert nicht aus, die Räder blockieren nicht. Der Bus schießt rechts an mir vorbei, ich hänge mich hinter ihn – und habe noch 2 oder 3 Sekunden, bis das Auto mich auf der Gegenfahrbahn passiert.

Ein schlauer Mann hat mal gesagt, im Straßenverkehr gäbe es nur eine Regel: „Immer mit der Dummheit der Anderen rechnen.“ Er hatte ja so recht. Vertraue nur und ausschließlich dir selbst in solchen Situationen, alles andere kann dumm enden.

Für meine bisherigen über 6.000 km in dieser Saison ist diese erste und einzige Situation sicher kein schlechter Schnitt. Trotzdem haben wir uns diese Sekunden mit einem Reim ins Gedächtnis gebrannt: „Traue keinem Schweden, willst Du überleben.“ Egal, ob das politisch korrekt ist oder nicht – hier und heute war es bitterer Ernst.

Nach einigen Kilometern hat sich der Blutdruck wieder normalisiert. Wir fahren das letzte Stück nach Svolvaer rein und rollen wieder auf den Marktplatz.

In der Tourist-Info kaufen wir Postkarten, zumindest einmal wollen wir auf die gute, alte Art schreiben 😉 Während wir die Postkarten aussuchen, kommt Hektik auf. Zwei ältere Damen, beide offenbar nur und ausschließlich des Französischen mächtig, versuchen dem jungen Mann hinter dem Tresen, welcher wiederrum als – vermutlich – Amerikaner nur und ausschließlich des Englischen, und vielleicht des Norwegischen, mächtig ist zu erklären, dass sie nicht an ihr Gepäck kommen. Das hatten sie am Vormittag in zwei Boxen eingeschlossen, die auch in der Tourist-Info zur Verfügung stehen. Nachdem die Lage langsam eskaliert fragt eine der Damen, ob jemand Französich oder Deutsch spricht. Ich antworte auf Französisch, und werde sofort mit einer Mischung aus Erleichterung und Panik zugetextet. Und verstehe wenig. Aber es gelingt mir zumindest, die Damen zu beruhigen. Nach eingehender Analyse der Situation – zwei Schlüssel, zwei Fächer … – wage ich einen naheliegenden Lösungsansatz und vertausche wagemutig die Schlüssel. Und siehe da: ça marche. Welch‘ Freude durch eine einfache Aktion man doch stiften kann. Unter vielen Merci und Bon voyage verlassen die Damen die Szenerie. Jeden Tag eine gute Tat.

Es ist Abend geworden, der Hunger meldet sich. Wir folgen der Empfehlung des Amerikaners hinter dem Tresen der Tourst-Info und wählen das Bacalao. Gute Wahl! Fischsuppe und danach einen Salat mit Hähnchen, sehr lecker. Schönes Ambiente, und alle wieder so freundlich. Was werde ich das in Deutschland vermissen …

Der Tag neigt sich dem Ende zu. Abendstimmung. Die Wolken lösen sich mehr und mehr auf.

Mit etwas Glück haben wir morgen super Surf- und Fahrwetter. Wir sind gespannt.