Es regnet etwas. 9 °C und tief hängende Wolken.

Was aber nichts macht, da sich das Wetter hier zum einen regelmäßig ändert, und zum anderen ein langsamer Start mit Regen, Kühle und einem heißen Kaffee auch nicht zu verachten ist.

Der Vermieter schaut vorbei und erzählt, dass er dieses Haus hier im Winter bewohnt und im Sommer vermietet. Seine Frau hätte ein paar Kilometer weiter ein kleineres Haus von ihren Eltern geerbt, dort verbringen sie den Sommer. Platz und Häuser haben sie hier in Nordnorwegen.

Da wir gestern eine lange Etappe hatten, sollte heute etwas mehr Zeit sein. Wir beschließen, in Harstad zu frühstücken. Das liegt genau auf der Strecke zum nördlichsten Punkt der Insel, auf der wir uns gerade befinden. Und da will ich natürlich hin. Denn dieser Punkt ist gleichzeitig der nördlichste auf unserer ganzen Reise. Ich dachte, den erreichen wir gestern schon, aber erst heute ist es soweit.

Harstad ist eine relativ große, freundliche Stadt. Knapp 25.000 Einwohner. Wir frühstücken im Bakerinnen,

einer Brasserie mit einem reichhaltigen Angebot.

Zu der Brasserie gehört ein Klamottenladen, der nahtlos in einen Frisör übergeht. Sie haben also durchaus Sinn für das Praktische, die Norweger.

Die Fahrt nach Harstad hat zwar nur knapp eine Stunde gedauert, aber uns ist schon wieder gut kalt. Das Wetter ist nicht wirklich schön, ab und an scheint die Sonne, doch der Regen beginnt sich mit einer schönen Regelmäßigkeit einzustellen.

Wir fahren nach einer Stunde weiter, Richtung Norden. Die Straßen werden schmaler, die Beläge holpriger, bis wir am Ende einer Schotterpiste angelangen und die letzten Meter zu Fuß zu einen kleinem Kap gehen. Hier, bei 68° 55′ 14,1″ Nord, 16° 15′ 36,2″ Ost liegt der Nordpunkt unserer Fahrt. Es ist sehr windig, so wie es sich für das (lokale) Nordkap gehört. Es ist alles dramatisch: der Himmel, das Meer, der Wind.

Aber ein Selfie muss natürlich sein.

Es bleibt windig.

An dieser Stelle leben tatsächlich Menschen, offenbar solche, die es einsam und windig mögen.

Wir fahren zurück, die Sonne kommt ab und an durch und generiert schöne Bilder.

Wir fahren an der Westseite der Insel bis zur Fähre in Refsnes. Dort setzen wir über nach Flesnes.

Ab hier sind es noch ziemlich genau 100 km bis zu unserem Ziel am Flughafen von Svolvær. Aber es ist noch einmal kälter geworden, und wir müssen über einen Pass. Langsam fange ich an, richtig zu frieren, Jacob geht es nicht besser. Was dabei passiert, abgesehen von dem unangenehmen Gefühl, ist das Zurückgehen der eigenen Reaktionsgeschwindigkeit. Und das kann gefährlich werden.

Es regnet jetzt mehr oder weniger permanent. Sind LKW’s vor uns, müssen wir überholen – auch wenn sie sehr schnell sind – weil wir sonst schon nach wenigen Sekunden hinter ihnen nichts mehr sehen. Ist aber anderseits nicht so einfach auf dieser Strecke, die praktisch nur aus Kurven besteht.

Die Kälte kriecht in alle Teile der Körpers. Das erste Mal auf der Fahrt merke ich, wie sich meine Schulter vor Kälte zu verspannen beginnt. Zu allem Überfluss gehen auch noch unsere Tankwarnlampen an – wir haben seit 220 km keine Tankstelle mehr gesehen.

Im Kopf spielen sich jetzt Dramen ab: wir bleiben liegen, der Sprit ist alle, es beginnt zu schneien, die Dunkelheit bricht herein; und dann ereilt uns das Schicksal der Scott-Expedition … Sprit haben wir allerdings noch einen ganzen Kanister, Schneien ist eher unwahrscheinlich – und dunkel wird es ja hier sowieso gerade nicht.

Also ist durchhalten angesagt. Und tatsächlich: Gut gekühlt, mit noch 1,5 l Sprit im Tank und in Teilen naß erreichen wir die Farm am Flughafen von Svolvær, wo ein Wohnwagen (Münsterland Deluxe) und vor allem eine heiße und lange Dusche auf uns wartet. Und natürlich hat es aufgehört zu regnen.

Warum auch nicht? Wir fahren ja nicht mehr …

Der Hunger treibt uns ein letztes Mal heute auf die Bikes. Wir essen im Børsen Spiseri hervorragenden Stockfisch. Die Preise hier sind allerdings auch hervorragend – aber wer nach Norwegen fährt soll nicht meckern.

Müde und zufrieden fallen wir in unsere Betten. Morgen ist wieder ein Ruhetag. Wenn das Wetter passt, fahren wir zu einem Surfspot, ca. 60 km von hier gelegen. Wenn das Wetter so ist wie heute, werden wir den Tag in einem netten Café mit Buch, Tablet und Kaffee und Keksen verbringen. Das Wetter kann uns mal!

Breitengrad: 68° 14′ 36,4″ N – Längengrad: 14° 39′ 55,2″ O – Höhe: 1 m

http://maps.google.com/?q=68.24344,14.66533

P.S. Es ist 1.29 Uhr nachts … und es sieht so aus: