In der Nacht hatte es geregnet, jetzt scheint – natürlich – wieder die Sonne. Die Bikes sind naß geworden, was ja seit Estland ein seltenes Ereignis geworden ist.

Apropos Bikes. Was haben wir nicht alles mitgenommen: Kühlflüssigkeit, Brems- und Kupplungsflüssigkeit, Motorenöl. Ersatzteile. Ich kontrolliere fast jeden Tag die Füllstände. Nichts zu tun. Die Maschinen laufen und laufen und laufen. Und Benzin verbrauchen sie auch im Rahmen. Zwischen 4,2 und 4,5 Liter auf 100 km, je nach Fahrweise und Gegenwind. Wir kommen also mit den 13 Litern im Tank maximal rund 280 km weit, davon 2 Reserveliter, entspricht gut 50 km. Gestern haben wir die Maschinen nach Aufleuchten der Reserveleuchte noch ein Weile weiter gefahren um zu sehen, wann genau die Leuchten angehen. Es stellte sich heraus, dass noch knapp 3 Liter im Tank waren, die fast 70 Kilometer weit gereicht hätten. Und das mit Gepäck. Alles im grünen Bereich; und wir haben ja noch den roten Zusatztank.

Die Unterkunft hier am Polarkreis hat ihre besten Tage schon hinter sich. Der Platzt ist eine Mischung aus Camp, Parkplatz, Werkshof und Schrottplatz.

Was uns nicht wirklich stört, es ist nur verwirrend. Hier an der E10, wo tatsächlich relativ viel Verkehr ist, wäre ein Polar-Circle-Recreationcentre 😉 sicher eine feine Sache. Aber das hier erinnert mich eher an From Dusk til Dawn von Tarantino … vorne das Haus und hinten der Schrottplatz …

Unser erstes Etappenziel ist das Skrövbron Sommarcafe, direkt an der E10 gelegen ca. 45 km von hier. Direkt an einem Fluß, überschaubares Angebot.

Aber es schmeckt, der Kaffee tut gut. Danach weiter auf der E10 Richtung Nordwesten. Kurz vor Gällivare knickt sie nach rechts gen Norden ab und steigt langsam an. Es wird deutlich kühler. Das Wetter ist etwas schlechter als gestern, viele Wolken, aber kein Regen. Wir sichten eine Elchkuh – sie verschwindet, bevor wir ein Photo machen können. Jacob ist trotzdem stolz 😉

Wir fahren weiter und tanken nach gut 120 km seit dem letzten Mal. Das werden wir auch brauchen, weil an der Strecke die nächste Tanke erst in Kiruna kommt. Bis auf das Tanken fahren wir dort nur durch, aber auffällig sind die riesigen Abraumhalden, die sich neben der Stadt erheben. Kiruna besitzt das weltgrößte Eisenerzbergwerk. Und hat damit die Umgebung in eine Mondlandschaft verwandelt. Vielleicht stammen Teile des Stahls, mit dem wir gerade durch Schweden fahren, auch von hier.

Die E10 bleibt in nordwestlicher Richtung und steigt weiter an, teilweise bis auf über 500 m. Das bedeutet hier oben: es ist kalt. Dazu kommt noch der Chill-Faktor. Wir müssen eine Schicht zulegen, ich habe jetzt 5 an: T-Shirt, Sweatshirt, Pullover, Windbreaker gefüttert, Kombijacke. Kuschlig ist es trotzdem nicht auf dem Bike.

Aber dafür beginnt hinter Kiruna das, was ich als Norden bezeichnen würde.

Weite Landschaft, dramatische Wolken, Schnee auf den Bergen.

Wilde Wasser, klar, trinkbar.

Und über allem thronen die vom jahrtausende währenden Eis rund geschliffenen Berge.

Eine Landschaft, so archaisch und still wie zu Anbeginn der Zeit, als noch keine oder nur sehr wenige Menschen hier durch die Gegend streiften. Hier ist alles langsam; abgesehen von uns und den wenigen Autos, die sich auf der Straße bewegen. Aber selbst diese sind in der Weite fast verloren, bewegen sich, gemessen an den offensichtlichen Entfernungen – langsam. Vielleicht ist es das: diese Weite, dieses Unbegrenzte, lässt einfach jede Hektik, jede Hast, jede übermäßige Eile buchstäblich „ins Leere“ laufen, macht sie also langsam und damit angemessen. Vielleicht ist es diese Tendenz zur Ruhe, zur Entschleunigung, die mich seit Kindertagen fasziniert.
Nicht mehr lange, und wir überqueren die Grenze nach Norwegen. Die E10 wird kurviger, wir können uns etwas erwärmen durch das Kurvenfahren 😉 viel fehlte aber nicht mehr, und wir wären vor Kälte vom Bike gekippt. Noch ungefähr eine Stunde, dann sind wir in Narvik, werden etwas essen und dann endlich, gegen 22 Uhr, unser Quartier erreichen.
Die Idee, heute eine lange Etappe zu fahren, damit wir morgen entspannt auf den Lofoten unterwegs sein können, war schon gut. Aber wenn wir das vorher gewußt hätten … es stehen 456 km auf dem Tacho. Bisher die längste Tagesetappe. Wir hoffen, dass es auch dabei bleibt.
Die Unterkunft ist traumhaft gelegen. Eine komplett ausgerüstete Ferienwohnung mit Küche, kleinem Kamin und zwei Zimmern.

Nach der robusten Hütte am Polarkreis werden wir den Komfort zu genießen wissen.


Das Feuer brennt schon.


Morgen geht es weiter Richtung Svolvaer, wir haben nur gut 3 Fahrstunden, können uns also Zeit lassen.

Breitengrad: 68° 31′ 2,8″ N – Längengrad: 17° 0′ 5,3″ O – Höhe: 7 m

http://maps.google.com/?q=68.51745,17.00146