Jetzt haben wir ihn also erreicht, den nördlichen Polarkreis. Heute gegen 19.18 Uhr Ortszeit. 66° 33′ 53″ N und 22° 17′ 55,7″ O, Höhe 102 m. Da die Achse der Erde eine Eigenbewegung ausführt, wandert der Polarkreis permanent. Es kann also sein, dass wir ihn schon etwas früher überquert haben oder erst morgen ein paar Minuten nach dem Start überqueren werden.

Aber egal – hier ist das Foto dazu.

Die Helme haben wir auf gelassen, sonst hätten uns die Sandflys gefressen 😉

Gestartet heute Vormittag in Oulu bei Superwetter. Kaum Wolken am Himmel.

Wieder rauf auf die E75. Sie ist eine echte Süd-Nord Straße in Europa, verbindet Griechenland mit Norwegen. Sie ist über 4.300 km lang, wir haben sie in Finnland von Helsinki bis Kemi genutzt, wo wir heute auch unseren ersten Halt gemacht haben. Frühstück im Café Hertta – das Känguru läßt grüßen.

Wieder eine Überraschung, was Qualität und Freundlichkeit angeht. Langsam gewöhnen wir uns an diese, man möchte fast sagen: Lebensart. Freundliche, unaufgeregte Menschen, mit denen man sich normal unterhalten kann. Kreisverkehre. Und Ampeln, die zwar immer auf Rot stehen, aber in dem Moment, wo man sich nähert, auf Grün schalten. Sozusagen ein Fore-Way-Stop mit Licht. Funktioniert tadellos, ich habe noch nie so selten an einer Ampel halten müssen wie hier in Finnland. Kindergärten, die großzügig angelegt sind und vermuten lassen, dass auch der Betreuungsschlüssel kein Thema ist. 14 Wochen Sommerferien. Und dann natürlich der Mittsommer.

Überhaupt kommt mir bei den Begegnungen mit den Menschen hier oft dieses „Es ist doch so einfach.“ in den Sinn. Nicht, dass hier alles perfekt wäre. Aber ich habe den Eindruck, dass die Leute hier ihren Verstand – und auch oft ihr Herz – dazu benutzen, sich und anderen das Leben einfacher und vielleicht auch angenehmer zu machen. Sie lassen mehr zu, überlassen mehr Dinge sich selber. Nicht im Sinne von egal, sondern als eine Form des Vertrauens in den Gang der Welt. Dieses Vertrauen ist uns in Deutschland abhanden gekommen. Ein äußerst bedauerlicher Verlust.

Nach dieser – weiteren – schönen Erfahrung geht es immer an der Küste entlang nach Norden Richtung Grenze. Natürlich ist das erste, was wir von Schweden sehen, ein großer IKEA … macht aber nichts. Wir erreichen bald die E10, die große Nordroute, die die Nordspitze der Ostsee mit den Lofoten verbindet.

Unser Ziel ist Överkalix, das Tor zum Norden. Dort gibt es eine Location, das Restaurant Vippabacken, das einen guten Ruf hat. Und es ist das mehr oder weniger Einzige hier im Umkreis – langsam wird es dünner mit der Infrastruktur. Außerdem kommt es zeitlich wunderbar mit dem dritten Vorrundenspiel der deutschen Fußballer hin, das wir uns dort in Ruhe ansehen wollen.

Woran wir natürlich nicht gedacht haben: wir sind in Schweden, und zeitgleich spielt Schweden gegen Mexiko. Schlechte Karten also für die beiden einzigen Deutschen weit und breit. Aber wir haben ja Internet und ein Tablet, da schauen wir uns das eben im Livestream an.

Geht aber nicht. Aus irgendwelchen rechtlichen Gründen. Wie war das gleich mit dem Leben und es sich und anderen einfacher machen? Ich installieren eine VPN App – und es geht sofort. Warum in aller Welt betreiben ARD und ZDF diesen Aufwand, wenn es sich ohne weiteres umgehen läßt?

Deutschland fliegt raus. Aber so wie sie spielen ist das vielleicht auch besser so …

Wir wollen noch eine Stunde fahren, damit morgen die Etappe nicht zu lang wird. Eigentlich ist zelten angesagt, aber die Hütten im Polar-Circle-Camp …

… in Kombination mit den Sandflys überzeugen uns dann doch, es nicht zu tun.

So genießen wir den rauen Charm dieser Unterkunft und freuen uns auf unsere morgigen gut 400 km – es werden die nördlichsten der ganzen Reise.

Ach ja: hier oben, am Polarkreis, im Nichts – 4 Balken LTE

Breitengrad: 66° 33′ 5,6″ N – Längengrad: 22° 19′ 54″ O

http://maps.google.com/?q=66.55156,22.33167