Gegen 9 Uhr krabbeln wir aus der Coje. Eine gemütliche Kabine hat uns beherbergt.

Hotelkomfort auf dem Meer. Uns erwartet ein Frühstück. Eigentlich zu früh, aber was soll man machen. Beim Blick über die Tische merkt man deutlich, dass es eher die älteren Semester sind, die hier die Fahrt genießen. Der Charakter der „Schönsten Seereise der Welt“ – Eigenwerbung – ist mehr und mehr der einer Kreuzfahrt. Mittlerweile hat die Hurtigruten ihren Aktionsradius ausgeweitet und bietet, neben der klassischen Route, auch eine Vielzahl von anderen Zielen an: Spitzbergen, Grönland, selbst die Antarktis ist im Angebot. Wahrscheinlich sind diese noch etwas näher am ursprünglichen Charakter dieser Fahrten – der Reise mit dem Postschiff. Allerdings befürchte ich, dass die ursprüngliche Athmosphäre, wie ich sie noch kurz nach der Jahrtausendwende auf einem alten Hurtigrutenschiff, der Harald Jarl, genießen durfte, nicht mehr exisitiert. 

Das Schiff existiert zwar noch, fährt aber jetzt unter anderem Namen als – dreimal darf man raten – Kreuzfahrtschiff – und noch Mal dreimal raten: wo? – in der Karibik. Das ist eigentlich Blasphemie … 

Wir räumen die Kabine und beziehen ein Plätzchen im – natürlich – Café des Schiffes. 

Noch vier Stunden bis zur Ankunft in Bergen. Lesen, bloggen, auf dem Sonnendeck sitzen, Kaffee und heiße Schokolade trinken – so kann man es aushalten. Gegen 14 Uhr kommt Bergen in Sicht.

Wetter prima, Stadt bunt.

Wir ziehen uns um, obwohl wir nur ein paar Kilometer bis zum Hauptbahnhof fahren wollen. Nicht, um den Zug zu nehmen, sondern um die Schließfächer zu nutzen und dann Bergen noch ein paar Stunden zu Fuß zu erkunden. 

Wir sind zu früh dran und müssen warten. Erst wird die schmutzige Wäsche – eine Menge Wäsche – ausgeladen, dann kommen die Autos dran, und dann wir. Es geht alles ohne Hast ab, in skandinavischer Ruhe – manchmal könnte es jedoch einen Tick scheller gehen …

Endlich sind wir gegen 15 Uhr draußen. Wir fahen ein paar Kilometer zum Bahnhof, finden die Schließfächer und ziehen uns wieder um. Die Schließfächer werden zentral gesteuert. Also nix mit tausend Schlüsseln, die man verlieren kann. Sondern ein Terminal, wo du sagst, welche Fachgröße du brauchst, dann bezahlst du, dann schnappt ein Fach auf, und letztlich spuckt das Terminal eine Quittung aus, auf der ein sechstelliger Code steht, mit dem du dein Fach wieder öffnen kannst. Natürlich auch zentral am Terminal.

Und was fällt auf? Richtig, der Schlitz, wo man früher Geldschein reinstecken konnte, ist zugeklebt. Kartenzahlung und sonst nichts. Wie schon oft in Skandinavien wird auch hier ausschließlich bargeldlos gezahlt. Beim Rausgehen sehen wir eine junge Frau, die die Toilettengebühr von 50 Eurocent mit Karte zahlt. In drei Sekunden. 

Mittlerweile ist es bewölkt. Wir haben nicht so viel Zeit, also entscheiden wir uns, zumindest erstmal, für die Touriroute. 

Bergen ist nett, aber voller Touristen. Eine alte Hansestadt, die seit über 700 Jahren Handel treibt.

Hanseatisch, könnte auch in Hamburg oder Stralsund stehen das Haus.

Und wir finden Jacobs Straße – Jacobsfjorden.

Wie gesagt – leider zu viele Touristen. Wir sind natürlich auch Touristen. 

Aber schön ist das nicht. Apropos nicht schön. Es gibt auch das andere Bergen.

Abseits der Touristenpfade.

Auf dem Bus vorne steht übrigens „Vision of Scandinavia“. Bitte nicht … 

Jacob schlägt ein äthiopisches Restaurant vor. Ich habe noch nie äthiopisch gegessen, also ziehen wir kurz nach 17 Uhr ins Horn of Africa ein. Gelegen in einer der „Vision of …“ Straßen, von außen unscheinbar. Aber innen eine Entdeckung. Ein ausgesucht freundlicher Bedienerich, der gut deutsch spricht – hat eine Zeit dort gelebt – nimmt die Bestellung auf. Einmal eine Platte für zwei mit allem. Und so sieht sie dann aus.

Es sieht lecker aus, es duftet lecker, es schmeckt phantastisch. Hier gehen wir wieder her – wenn wir dereinst wieder in Bergen sein werden.

Frohgemut und gestärkt gehen wir zurück zum Bahnhof, umziehen, Gepäck auf die Bikes und los Richtung Hardangervidda. Kaum sitzen wir auf den Krädern, fängt es an zu regnen … aber nicht schlimm, nur ein leichter Sprühregen, der bald vorbei geht.

Wir fahen eine alte Bekannte, die E39, um bald auf die E16 Richtung Oslo zu drehen. Wieder überall Geschwindigkeitsbegrenzungen und Baustellen. Und ein Abschnitt, der aus schlecht beleuchteten, äußerst kurvenreichen Tunneln besteht. Das Fahren ist höllisch anstrengend, teilweise gefährlich. Wir sind froh, als wir endlich die E16 verlassen dürfen und auf die 7 fahren. Die führt nördlich der Hardangervidda Richtung Osten, letztlich Richtung Oslo.

Nach insgesamt 115 km erreichen wir unser heutiges Domizil, die Solbakken Farm. Sehr nett. 

Morgen fahren wir den letzten Abschnitt in Skandinavien. Wie schnell die Zeit vergeht.
Breitengrad: 60° 28′ 9,7″ N – Längengrad: 6° 36′ 22,3″ O

http://maps.google.com/?q=60.46937,6.60620